„Jedes Zeitalter hat seine charakteristische Musik hervorgebracht, geformt aus denselben Kräften, die dieses Zeitalter geformt haben. In unserem technischen Zeitalter sieht sich die Musik als Kunstform in einem bisher nicht bekannten Ausmaß mit den Kräften der Technik konfrontiert“, steht in einem Siemens-Rundschreiben von 1963. Die Antwort hierauf sei die Synthese von Musik und Technik: die elektronische Musik. Um die Automation der Klangerzeugung zu fördern und weiterzuentwickeln, hatte Siemens ein firmeneigenes Studio unter der Leitung des Tontechnikers Alexander Schaaf und des Komponisten Josef Anton Riedl eingerichtet und drei Jahre lang selbst betrieben. Das Siemens-Studio für elektronische Musik steht stellvertretend für die damalige Offenheit großer Unternehmen gegenüber künstlerischen Experimenten, was sich auch in der Produktion von aufwendigen Industrie- und Imagefilmen zeigte. Ergänzt von Riedls Studien für elektronische Klänge, durchmisst das Filmprogramm die Kommunikationstechnologien des 20. Jahrhunderts: vom Kurzwellenradio über das Farbfernsehen bis zum Mobiltelefon. Werbe- und Informationsfilme von Philips, Siemens und AEG-Telefunken, Oskar Fischingers Radio Dynamics sowie ein Video von Bas van Koolwijk und Gert-Jan Prins, dessen visuelle Modulationen einem Audiomixer entstammen, werden Filmen von Mauricio Kagel, Christoph Doering und Michel Klöfkorn gegenübergestellt, die einen so kritischen wie ironischen Blick auf den drohenden Realitätsverlust durch die Allanwesenheit beliebig reproduzierbarer Bilder und Daten werfen.
Farbige Klänge
Kuratiert von / curated by Florian Wüst